Six Sigma+Lean im Detail

Six Sigma+Lean im Detail

Was ist Six Sigma?
In der Literatur und im Internet sind die unterschiedlichsten Definitionen von Six Sigma zu finden.

Ich möchte versuchen Ihnen mein Verständnis von Six Sigma näher zu bringen.
Six Sigma ist ein auf Zahlen und Fakten basiertes Vorgehen um systematisch Unternehmensprozesse und Produkte zu verbessern.

Dies erfolgt mit dem Ziel (Vision), dass nur noch 3,4 Defekte pro eine Million Fehlermöglichkeiten beobachtet und (hoffentlich) intern behoben werden müssen. Dies führt zu geringeren internen wie externen Fehlerkosten, höherer Kundenzufriedenheit, höheren Marktanteilen und Unternehmensgewinnen.
 
Six Sigma nutzt in eindrucksvoller Weise größtenteils seit langem bekannte statistische und nicht-statistische Methoden. Diese werden jedoch stark vernetzt und sehr logisch verknüpft genutzt.
 
Je nach Projektart verwenden die ausgebildeten Projektleiter unterschiedliche Phasenstrukturen mit klaren Phaseninhalten:

DMAIC für Verbesserungsprojekte (klassisches Six Sigma)


DICOV für Neuentwicklungsprojekte (leider nicht standardisiert)


DMADV für Re-Designprojekte


Inzwischen wurden Ansätze aus anderen Systemen in sinnvoller Weise in diese drei Grundstrukturen integriert. Diese Ergänzungen stammen aus Lean-Management, Shainin-Methoden, TRIZ und Agilem Projektmanagement.

Hintergründe zu Six Sigma

Mehr als 35 Jahre Erfolgsgeschichte

Six Sigma wurde Anfang der 80er Jahre von Motorola „erfunden“. Anfangs enthielt Six Sigma neben Philosophie und Ziel hauptsächlich eine Problemlösungstechnik in vier Schritten (MAIC, Measure-Analyze-Improve-Control) unter Anwendung bewährter statistischer und nichtstatistischer Methoden. In amerikanischen Unternehmen wie TI, IBM, ABB begann der weitere Siegeszug von Six Sigma.
Die Anwendung von Six Sigma fokussierte sich aber stark auf Projekte in Entwicklung und Produktion.

Schon damals wurden die ausgebildeten Projektleiter und Spezialisten in diesen Unternehmen in Anlehnung an Qualifikationen asiatischer Kampfsportarten Black Belt oder Master Black Belt genannt.
 
Im Laufe der Jahre fand Six Sigma weltweit große Verbreitung in vielen Unternehmen, bei gleichzeitiger Weiterentwicklung der Problemlösungsmethode zum heute üblichen Phasenvorgehen DMAIC (Define- Measure-Analyze-Improve-Control) in der gesamten Prozesslandschaft der anwendenden Firmen.
Hinzu kamen die neuen Vorgehensweisen zur Entwicklung oder zum Re-Design von Prozessen oder Produkten, zusammengefasst Design-for-Six-Sigma (DFSS) genannt.
 
Von Anfang an standen Ziele wie Kundenzufriedenheit durch Qualität und Zuverlässigkeit sowie Rentabilität durch hohe Prozessqualität und geringen Kosten im Vordergrund. Jedes Projekt wird anhand der Erfüllung klarer und messbarer Ziele bewertet und erhält somit hohe Management-Unterstützung und Aufmerksamkeit.

Six Sigma Handlungsprinzipien

Im Laufe der Jahre haben wir erkannt, dass Six Sigma auf bestimmten Handlungs- bzw. Einstellungs-Prinzipien beruht. Da diese Prinzipien in der Literatur so nicht zu finden sind, haben wir diese aus unserer Sicht definiert und niedergeschrieben.
 
Allgemeine Prinzipien
  • Mache Fehler nur einmal.
    Verstehe Fehler als Chance zur Verbesserung.
  • Fehlervermeidung statt Fehlerbeseitigung.
    Eine richtige Ursachenbeseitigung kostet nur einmal Geld und Zeit, die Fehlerbeseitigung kostet über viele Jahre viel mehr.
  • Trenne die Fehlersymptome konsequent von tieferliegenden Fehlerursachen.
    Getroffene Maßnahmen müssen die tatsächlichen Fehlerursachen abstellen. Gute Prozesse sind schnelle Prozesse.
  • Reduziere Komplexität von Produkten und Prozessen.
    Laut Systemtheorie strebt jedes System im Laufe der Zeit zu immer höherer Komplexität. Unsere Aufgabe ist es, diese zumindst in den Detaillösungen zu reduzieren.
  • Strebe nach dem Verständnis Y=f(x).
    Nur so lassen sich Prozesse regeln. Nutze die x‘e um das Y wie gewünscht zu erhalten.

Prinzipien für das Management / Führung
  • Leite aus den Unternehmenszielen die Projekte und Projektziele ab. 
  • Lass deine Entscheidungen auf Zahlen/Daten/Fakten beruhen.
  • Schaffe eine positive Projektkultur.
  • Sei konsequent, begonnene Themen zum Ende zu bringen, beende aber nicht-lohnende Projekte ohne zögern.
  • Berechne bei allen Projekten konsequent Aufwand und Nutzen.
    Nutze dies zur Priorisierung der Aktivitäten, wir können nicht alles auf einmal bearbeiten.

Prinzipien für Projektleiter
  • Reduziere konsequent die versteckte Fabrik.
  • Vermeide eine Suboptimierung. Optimiere zu Gunsten der Kundenzufriedenheit und denke an Auswirkungen auf die Zufriedenheit der eigenen Mitarbeiter.
  • Vermeide Prüfungen. Schaffe durch Fehlervermeidung Möglichkeiten auf bisherige Prüfungen zu verzichten.
  • Vermeide Zuständigkeitswechsel. Jeder Zuständigkeitswechsel führt zu Liegezeiten und erhöht die Fehlerwahrscheinlichkeit.
  • Ändere Prozesse radikal. Nur so ist ein Rückfall in die alte Situation (fast) unmöglich.
Innerhalb eines Arbeitskreises haben wir im ESSC-D diese Prinzipien in fünf Grundprinzipien zusammengefasst:
  • Strebe nach fähigen und beherrschten Prozessen, um die Kundenanforderungen profitabel zu erfüllen.
  • Treffe Entscheidungen auf der Basis vertrauenswürdiger Daten und verstandener Wirkzusammenhänge.
  • Löse Probleme effizient mit einer strukturierten und bewährten Vorgehensweise im Team.
  • Sorge für Nachhaltigkeit der Ergebnisse.
  • Mache Six Sigma zum allgemein anerkannten Arbeitsprinzip im Unternehmen.

Was macht aus unserer Sicht Six Sigma so erfolgreich?

  • Die Umsetzung von Six Sigma erfolgt in Form von Projekten mit klaren Aufgabenteilungen und Projektstrukturen.
  • Die Ziele aller Projekte ist die hohe Zufriedenheit der Prozess-/Produktkunden.
  • Der finanzielle oder strategische Nutzen eines jeden Projektes wird bestimmt und überwacht.
  • Teamarbeit stellt den optimale Nutzen von Expertenwissen sicher.
  • Die im Green Belt und Black Belt Training geschulte Statistiksoftware ermöglicht eine einfache und erfolgreiche  Anwendung von notwendiger und sinnvoller Statistik.
  • Durch die Phasenstruktur mit klaren inhaltlichen Einzelschritten wird der Projektleiter zielorientiert geführt und ein strenges Vorgehen ist gesichert.
  • Für jeden (Sonder-)Fall sind geeignete Werkzeuge vorhanden, Entscheidungshilfen erleichtern die Auswahl.

Warum Design for Six Sigma und was ist es?

Warum DFSS?
Nachdem ca. 15 Jahre mit dem Verbesserungszyklus (D)MAIC erfolgreich gearbeitet wurde, war um das Jahr 2000 offensichtlich, dass die Unternehmen nicht erst Produkte und Dienstleistungen mit großem Verbesserungspotenzial entwickeln und dann optimieren sollten, sondern sie schon in der Entwicklung diese Potenziale vermeiden müssen.
Neben dieser grundsätzlichen Erkenntnis beobachten Unternehmen immer wieder folgende Dinge (mal mehr, mal weniger):
  • Zu Beginn der Entwicklung ist der Zeitrahmen und das Entwicklungs-Budget gesetzt und Qualität des zu entwickelnden Produktes/Prozesses steht im Hauptfokus.
  • Viele Entwicklungen verzögern sich durch notwendige, aber nicht geplante Schleifen aufgrund von Anforderungsänderungen oder nicht bestandenen Reviews/Gates (Entwicklungsstand hinsichtlich Funktionen und/oder Qualität nicht gegeben).
  • Geplanten Budgets reichen zunehmend nicht aus und müssen erhöht bzw. Inhalte/Funktionen gestrichen werden.
  • Im Laufe der Zeit werden "Kompromisse" bei Qualität notwendig und beschlossen.
  • Vor der Serienfreigabe werden die Mängel-/Fehlerlisten nicht kürzer sondern immer länger.
  • Entwicklungsressourcen, die nach der Serienfreigabe für neue Projekte eingeplant waren, stehen nicht wie erhofft hierfür zur Verfügung sondern werden für "Nachentwicklungen" benötigt.
  • Das wiederum führt zu Mängeln in Folgeprojekten, die einen ähnlichen Verlauf wie oben beschrieben erleben (werden).   
Was ist nun die Idee des DFSS-Ansatzes?
Mit Design for Six Sigma wollen wir ...
  • viel früher die Anforderungen umfassender, spezifischer, messbarer und lösungsneutraler ermitteln, bewerten und priorisieren,
  • Entscheidungen über Konzepte bei Architektur, Funktionen, etc. systematischer und umfassender fällen
    (nicht einfach bisher (noch) funktionsfähige Lösungskonzepte z. B. einfach hochskalieren, obwohl Schwächen schon heute einzelnen Personen bekannt sind),
  • vor dem Aufbau und Test von Mustern mit modernen Simulationsmethoden die zu erwartenden Fähigkeiten ermitteln, 
    (Hierzu sind umfassende Modellbildungen und Analyse von historischen Daten zu Fähigkeiten und Störgrößen notwendig)
  • frühzeitig zur Verifizierung und Validierung geplante Tests hinsichtlich Testlücken und Testredundanzen hinsichtlich Anforderungserfüllung und Robustheit gegen Störgrößen bewerten, um nur sinnvolle, optimale Tests mit statistisch ermittelten Testmengen und Zeiten durchzuführen, 
  • in jeder Phase geeignete Risiko-Bewertungen zur frühzeitigen Maßnahmenableitung durchführen und
  • zu jeder Zeit Effiziente Kommunikation auch zu später relevanten Stakeholdern (Einkauf, Fertigung, Service, etc.) sicherstellen und Aufgaben frühzeitig verteilen und parallel bearbeiten.
DFSS ist also kein Ersatz der bisherigen Entwicklungsarbeit, sondern eine methodische Ergänzung um Zeitrahmen, Kostenrahmen und Qualitätsanforderungen optimal zu treffen. 
Nach der Einführung von DFSS enthalten Ihre Meilenstein-Planungen sowie die Checklisten zusätzliche methodische Anforderungen.
DFSS wird fester Bestandteil all ihrer Entwicklungsprojekte!  
Im obigen Bild ist die obige Problematik der klassischen Entwicklungsarbeit grafisch dargestellt, geringen Ressourcen-Bedarf zu Beginn bei späterem hohen Ressourcen-Bedarf nach Serienfreigabe. Bei DFSS werden viel früher Ressourcen eingesetzt um ein "ruhigeren", erfolgreicheren Verlauf bei zu Beginn etwa gleicher Zeit bis zur Marktverfügbarkeit (time to market, TtM). 
Erst bei geübter DFSS-Anwendung (je nach Unternehmen zwischen 1 bis 3 Jahre) beobachten wir auch eine Reduzierung von time to market.  
Eine höhere Termintreue bei besseren Qualität und höherer Kundenzufriedenheit stellt sich erfahrungsgemäß schon bei erster Anwendung ein.

Zum Abschluss ein Vergleich der beiden Grund-Phasenmodelle in Aspekten der Anwendung und der Konsequenz der unterschiedlichen Trainingskonzepte:

Was ist Lean Management?

Lean Management wurde bei Toyota perfektioniert. Es strebt danach, jegliche Verschwendung von Zeit, Aufwand oder Geld zu eliminieren, indem jeder Schritt in einem Geschäftsprozess identifiziert wird und dann Schritte, die keinen Wert schaffen, überarbeitet oder idealerweise überflüssig gemacht werden.

Hintergründe
Lean Management hat seine Wurzeln in Japan.
1894 begann Sakichi Toyoda als gelernter Schreiner Webstühle aus Holz zu fertigen, die nicht nur billiger sondern auch besser als die bisherigen Webstühle zu bedienen waren.
 
Ihm gefiel nicht, dass seine weiblichen Familienmitglieder so hart arbeiten mussten und so machte er sich daran, elektrische Holzwebstühle zu entwickeln.

Inspiriert wurde er interessanter Weise von einem 1859 in England erschienen Buch von Samuel Smiles, in dem die Tugenden Fleiß, Sparsamkeit und ständige Verbesserung am Beispiel von Dampfmaschinen erläutert wurden.

Sakichi Toyoda gilt als Erfinder des TPS (Total Productive Maintenance, umfassende Produktive Instandhaltung) und der kontinuierlichen Lösung der Problemursachen (genchi genbutsu).
 
Masaaki Imai fasste unter dem Begriff KAIZEN (ständige Verbesserung) in Japan entwickelte Managementphilosophien, Theorien und Werkzeuge zusammen und veröffentlichte diese 1986 in seinem gleichnamigen Buch.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich bei Toyota das TPS (Toyota Produktions-System), welches nicht als Werkzeugkasten zu verstehen ist, sondern ein Satz aus schlanken Instrumenten wie Just-in-Time, Zelle, 5S, Kanban, etc.
Alle Elemente sollen zu einem reibungslos funktionierenden Ganzen zusammenwirken.
 
Grundsätzlich zielt dieses System darauf ab, Menschen zu unterstützen und zu ermuntern, die Prozesse, in denen und mit denen sie arbeiten, kontinuierlich zu verbessern.

Die fünf Lean-Prinzipien

Heute wird unter dem Begriff Lean (Lean Management) das enthaltene Streben in 5 Prinzipien zusammengefasst:
  • Definiere den Wert aus Kundensicht.
  • Identifiziere den (gesamten) Wertstrom.
  • Bringe den Wert zum fließen (Fluss).
  • Produziere nur das, was benötigt wird (Pull).
  • Produziere in hoher Qualität, was der Kunde möchte, wann er es möchte, zu einem fairen Preis und bei minimaler Verschwendung (Strebe nach Perfektion).

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